Der Eselsweg

Letztes Jahr sprach ich mit Dierk über den Eselsweg. Man könne diesen 2008 mit dem Rad fahren, natürlich an zwei Tagen und mit einer Übernachtung in Heigenbrücken. Im Laufe dieses Jahres stellten wir aber in der Gruppe fest, dass wir den Eselsweg evtl. an einem Tag schaffen könnten. Schließlich fahren andere Biker diese Tour auch. Allerdings stand fest, dass wir die Tour nur bei guten Bedingungen fahren würden. Für den heutigen Sonntag fanden sich vier Mitfahrer. Andi, Björn, Dierk und Matthias. Matthias hatte aber schon im Vorfeld angekündigt nur bis zum Engländer mitzufahren und von dort nach Aschaffenburg abzubiegen.
Das Projekt Eselsweg konnte also starten. Die Wetterprognosen waren nicht allzu schlecht und natürlich könnten wir ja abbrechen bei schlechtem Wetter, schlechten Wegen, Pannen oder falls wir es einfach nicht mehr schaffen würden.

Der Plan sah folgender Maßen aus:
Abfahrt mit dem Zug um 7.17 Uhr in Aschaffenburg – in Hanau umsteigen und weiter nach Schlüchtern – und so gegen 8.30 Uhr dann Start der Tour in Schlüchtern – erste große Pause mit Einkehr gegen 12.30 am Engländer – um 13.15 Uhr weiter – zweite große Pause gegen 15.45 Uhr am Hundsrücker Hof – weiter gegen 16.30 Uhr. Bei Einhaltung dieses Zeitplans wären wir so gegen 18.30 Uhr am Kloster Engelsberg gewesen. Vorraussetzung: Keine zusätzlichen Pausen und einen Schnitt von 14,5 km/h. Dann wären es noch zwei Stunden Puffer bis zum Zug von Kleinheubach zurück nach Aschaffenburg. Und wenn alle Stricke reißen führe um 22.30 noch ein Zug. So weit, so gut.

Und nun zur Realität.

Nach einer unruhigen Nacht war ich bereits 20 Minuten vor 6 Uhr wach. Meinen Rucksack hatte ich ja schon gestern gepackt. Also machte ich mir ein Frühstück, checkte nochmals die Ausrüstung, zog mich an und fuhr zusammen mit Björn kurz vor 7 Uhr los zum Bahnhof. Andi war schon da und wartete, Dierk und Matthias kamen auch rechtzeitig.

Gruppenbild am Aschaffenburger Hauptbahnhof

Wir stiegen pünktlich in den Zug und fuhren los. Allerdings nur aus dem Bahnhof raus, dann blieb der Zug stehen. Nach ein paar Minuten, wir hatten nur ein Zeitfenster von ca. 6 Minuten zum Umsteigen in Hanau, fuhren wir weiter.

Im Zug

Den Anschlusszug in Hanau erreichten wir gerade so. Fast pünktlich kamen wir in Schlüchtern an.

Der Bahnhof in Schlüchtern

Kurz vorm Start

Nachdem die Rücksäcke zurechtgerückt und die Pulsuhren und Tachos eingestellt waren, konnte das Abenteuer Eselsweg beginnen.

Ca. 111 Kilometer und ungefähr 2100 Höhenmeter lagen vor uns. Keiner hatte bisher eine vergleichbare Strecke mit dem MTB zurückgelegt. Wir hatten super Wetter, der Weg verlief die ersten Kilometer auf asphaltierten Straßen und befestigten Wegen.

In Schlüchtern

Gute Wege

Das Navi von Björn ermöglichte es uns, dem meist gut ausgeschilderten Weg ohne Pausen fürs Kartenlesen zu folgen. So konnten wir einen relativ guten Schnitt fahren.
Leider verfuhren wir uns dann doch mal ein kurzes Stück. So legten wir gleich eine kurze Verpflegungspause ein, bevor wir uns auf die Suche nach dem richtigen Weg machten.

Erste Riegelpause

Immerhin waren wir da ja schon zwei Stunden unterwegs. Nach kurzer Zeit fanden wir den richtigen Weg wieder und setzten die Tour fort. Es folgte ein Stück auf dem das Fahren aufgrund von Harvesterspuren sehr schwierig wurde. Aber auch da kamen wir ganz gut durch.

Harvester-Piste vorraus!

Kurz darauf ereilte uns ein weiterer Patzer in der Streckenführung. Zum Glück verfuhren wir uns nicht allzu weit. Der Abzweig war aber auch sehr schwer zu sehen.

Verfahren…

Hier ging es rechts in die Pampa rein. Wir legten eine weitere Riegelpause ein, wurden aber von hungrigen Riesenbremsen sehr schnell zur Weiterfahrt angetrieben.

Eine weitere Riegelpause

Wir setzten unsere Fahrt fort. Das Wetter war immer noch super. Allerdings ließen sich in unserer Fahrtrichtung dunkle Wolken erkennen. Plötzlich, mitten im Wald, auf einem schönen Trail, wurden wir jäh gestoppt. Ein Schäfer kam mit seiner Herde des Weges. Natürlich machten wir ihnen Platz. Was hätten wir auch tun sollen. Freundlich meinte er, dass wir jetzt erst mal eine kleine Pause einlegen können…

Der gute Hirte

1500 Schafe

Die Herde nahm kein Ende. Irgendwann beschlossen wir, uns am Rande des Weges durch den Wald weiter zu kämpfen. Nach „unvorstellbar“ langer Zeit kam das Ende der Herde. Da lief auch die Familie des Schäfers, mit Kinderwagen (!) durch den Wald. Von ihnen erfuhren wir dann auch, dass gerade ca. 1500 Schafe an uns vorbeigezogen waren. Wahnsinn!

Wir erreichten Lettgenbrunn.

Anfahrt auf Lettgenbrunn

Wir durchquerten den Ort ohne Aufenthalt und fuhren unserem ersten Etappenziel, dem Engländerhaus, weiter entgegen. Das Wetter verschlechterte sich jetzt auch etwas. Am Wiesbüttsee begann es etwas zu tröpfeln, aber wir entschieden uns erst einmal gegen die Regenkleidung.

Am Wiesbüttsee

Um 13.15 erreichten wir nach 55 km das Engländerhaus. Wir hingen meinem Zeitplan 45 Minuten hinterher. Gar nicht so schlecht. Wir besetzten einen Tisch im Freien unter einem Sonnenschirm und stärkten uns mit Kaffe, alkholfreiem Weizen, Apfelsaftschorlen, Kuchen und Gulaschsuppen.

Biker und Biker

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Wir erfuhren über Handy, dass in Aschaffenburg ein übelstes Unwetter geherrscht hatte. Diane und Lena, die mit den Spessart-Bikern unterwegs waren, mussten ihre Tour aufgrund des Unwetters abbrechen (Fotos). Aber während unserer Pause begann es auch noch zu regnen. Zum Glück saßen wir unter einem Sonnenschirm. Der Regen ließ nach, und kurz nach zwei brachen wir auf. Matthias fuhr von hier planmäßig nach Aschaffenburg zurück.
Zu viert kämpften wir uns jetzt weiter.
Nach solchen Pausen fällt mir das Weiterfahren immer extrem schwer. Ich nenne diesen Zustand „Suppenkoma“. Das Wetter blieb jetzt über mehrere Kilometer unbeständig. Um uns herum grollte der Donner. Mal waren die Unwetter hinter uns, mal neben und mal vor uns. Ein heftigerer Schauer zwang uns kurz anzuhalten. Wir zogen die Regenjacken an und suchten uns ein etwas dichteres Blattwerk über den Köpfen aus. Nach ca. 15 Minuten war das Schlimmste vorbei und wir fuhren weiter. Ich ärgerte mich nun, keine Regenhose eingepackt zu haben so wie Björn. Bei mir brach jetzt so langsam das Spritzwasser von hinten durch die Radlerhose. Sehr unangenehm…
Den Eselweg fand ich zwischen dem Engländerhaus und Weibersbrunn am härtesten. Es gibt viele kurze, aber steile Rampen. Die kosteten mich viele Körner. Kurz vor Weibersbrunn war zumindest der Wetterspuk vorbei. Wir befanden uns auf der Anfahrt zum Echterspfahl.

Auf dem Weg zum Echterspfahl

Auf dem nun kommenden Rest des Eselswegs war letzte Woche die „Trans Germany“ unterwegs. So wussten wir, dass wir jetzt keine großen Hindernisse mehr zu erwarten hatten. Überhaupt war der Weg nach den Unwettern der letzten Wochen in einem ganz guten Zustand.
Aber wir waren weit hinter meinem Zeitplan. Wir erreichten den Echterspfahl erst gegen 16.45 Uhr, daher beschlossen wir die Pause am Hundsrücker Hof auszulassen und durchzufahren. Schließlich wollten wir den Zug um 19.19 Uhr erreichen. Wir füllten also kurz die Getränkeflaschen auf und traten weiter in die Pedale.
Unglücklicherweise verpassten wir einen schlecht ausgeschilderten Abzweig und das Navi hatte keinen Empfang. Auch diesmal verloren wir Zeit mit dem Umweg. Zum Glück bemerkten wir recht schnell, dass wir auf dem Holzweg waren.

Nun kämpften wir uns vom Essiggrund (ungefähr 318m) hoch zum Rohrbrunn (ungefähr 503m). Spätestens jetzt war jedem klar, dass wir wirklich kämpfen müssen, um überhaupt anzukommen. Der Zug um 19.19 Uhr rückte ins Unerreichbare. Es lagen immer noch 40 Kilometer vor uns. Eine Distanz die ich gerne fahre. Als Tagestour…
Oben am Rohrbrunn hatte Andi böses Pech. Ein Ast verklemmte sich so in seinem Schaltwerk, dass das Schaltauge komplett abriss. Da wir in der Nähe das Autobahnrastplatzes waren, wir kaum noch Zeit hatten und auch kein wirklich passendes Schaltauge, lies Andi sich hier abholen.
Zu dritt gingen wir nun den Rest an.
Nach ewiger Zeit kamen wir um kurz nach 18 Uhr zum Hundsrücker Hof.

Am Hundsrücker Hof

Wir lagen 2 Stunden und 15 Minuten hinter meinem Zeitplan. Also, keine Pause und weiter. Dierk füllte noch mal schnell die Flasche auf und wir drückten uns noch ein paar Bananen, Gels und Riegel rein. Die Zeit lief gegen uns.

Zu unserem Pech riss Björn kurz hinter dem Hundsrücker Hof bei Wildensee die Kette.

Panne bei Wildensee

Zum Glück hatte er das nötige Werkzeug und die Ersatzteile dabei. So konnte der Schaden behoben werden. Aber wir hatten wieder wertvolle Zeit verloren. So langsam rückte auch der Zug um 20.28 in unerreichbare Ferne.
Egal. Hauptsache durchkommen, lautete jetzt die Devise!

Am Limit???

Am Limit!!!

Die letzten Kilometer, von der Strecke am schönsten und anspruchsvollsten, mit tollen Singletrails und Downhills war jetzt kein Vergnügen mehr. Ich hatte echt zu kämpfen. Björn machte Druck und wollte das Tempo noch mal anziehen, aber dieses Tempo konnte ich nicht mitgehen. Dierk glaube ich auch nicht. Ich fand mich mit dem Gedanken ab, in Groß- bzw. Kleinheubach irgendwo zu essen, (falls uns eine Kneipe hereinlassen würde 😉 ) und dann um 22.30 Uhr den letzten Zug nach Aschaffenburg zu nehmen.
Ich fuhr diesen Teil des Eselswegs bereits letztes Jahr. Endlich erreichten wir den Downhill zum Kloster Engelberg. Da war es kurz nach 20 Uhr.
Da wusste ich:
1. Wir waren so gut wie am Ziel
2. Wir haben doch noch eine Chance, den Zug um 20.28 zu erreichen.
Von großen Gefühlen beflügelt, rumpelten wir den Berg nach Großheubach hinab. Jetzt nur noch ein paar Straßenkilometer nach Kleinheubach.
Wir erreichten um 20.20 den Bahnhof in Kleinheubach und mussten feststellen, dass der Zug erst um 20.38 fuhr. Da hätten wir ja noch dicke Zeit gehabt…
Jetzt realisierten wir auch, was wir erreicht hatten. Sehr glücklich und abgekämpft warteten wir nun auf den Zug nach Hause.

Die Finisher!

Meine Beine. Voller Schmutz und Laktat!

Punktlandung!

Wir hatten es geschafft. 120 Kilometer und 2211 Höhenmeter lagen hinter uns!
Und wir kamen noch rechtzeitig zur zweiten Halbzeit heim!

Hier die Daten der Tour:
Fahrzeit: 8:26:31
Kilometer: 119,91 km
Durch. Geschw.: 14,20 km/h
Max. Geschw.: 50,4 km/h
Höhenmeter: 2211 m

Hier das Höhenprofil:

Eselsweg - das Höhenprofil

Fazit:
Es war eine super Tour. Sehr anstrengend, aber das „Finisher-Gefühl“ entschädigte für die Strapazen.
Wichtig sind die Ausrüstung, das Werkzeug und die Ersatzteile. Auch muss man für eine solche Tour „gute“ Beine haben.
Aber am wichtigsten ist das Team! Ich möchte mich bei allen Mitfahrern für dieses Erlebnis bedanken. Es war großartig mit Euch! Das nächste „Ultradistanz-Projekt“ wartet schon. 😉

Alle Fotos der Tour gibt es in Kürze auf meiner Fotoseite zu sehen.

Keep on biking!

5 Gedanken zu „Der Eselsweg

  1. Schöner Bericht! Und es war doch klar, dass ihr das packt, ihr seit eben echte Fahrradhelden 😉
    Ich neige mein Haupt und freu mich auf die nächste Aktion.

    Gruß, Lena

  2. Hallo Lena,
    danke für Deinen Kommentar! Und danke für die Komplimente! 😉

    Die nächste Aktion kommt bestimmt!

    Gruß
    Thorsten

  3. Alter Schwede! Harte Tour! Respekt! Und dann noch die Erfahrung, dass Zeitpläne n u r dazu da sind, gebrochen zu werden.
    Suppenkom: Suppe ist doch verboten!? Da müssen Kohlenhydrate rein, dann gibtś auch kein Suppenkoma (sondern ein Nudelkoma).
    Vielleicht schaffen wir die Tour ja mal zusammen, das wäre schön.
    Liebe Grüße

    Bernd

  4. Die Tour zusammen schaffen??? Das wäre echt super! Hier in der Region warten noch einige „Langdistanz-Touren“. Also einfach mal das Rad einpacken und in die alte Heimat kommen. 😉
    Apropos schaffen: Ich bin froh wenn ich die Tour mit Euch schaffe… Dagegen war der Eselsweg ja Kinderfasching… Aber wie Du schon sagst – Zeitpläne sind da, um gebrochen zu werden. Und Streckenpläne hoffentlich auch. 😉
    Und die Kohlenhydrate waren im Kirschstreusel nach der Suppe…
    Bis in 5 Wochen! (Gott was bin ich aufgeregt!!!)

    Auch liebe Grüße
    Thorsten

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