Pfingsten fährt man in Bimbach! (Oder: Ich verbrenne!)

So lautet seit 25 Jahren der Slogan zum Rhön-Radmarathon in Bimbach. Für mich war es heuer die vierte Teilnahme an dem Event. Da die Bimbacher dieses Jahr ein Jubiläum feierten, ließen sie sich eine besondere Strecke einfallen. Den Rhön-Radmarathon extrem². Diese Variante toppte die „normale“ extrem-Strecke um zusätzliche 10 Kilometer und 300 Höhenmeter. Vom Ehrgeiz gepackt meldete ich mich für diese Tortur mit 248 Kilometer und 4.800 Höhenmetern an. Trotz der imposanten Zahlen eine lösbare Aufgabe – ich hatte bis dato gut trainiert. Und mein neues Rad sollte den Rest dazu beitragen. 😉
Aber nicht nur ich hatte Großes vor – nein, auch Diane hatte sich angemeldet. Und zwar für die basic-Variante. Mit 170 Kilometern und 2.600 Höhenmetern auch nicht gerade ein Pappenstiel. Zum Glück hatten wir uns frühzeitig angemeldet, denn relativ bald waren die insgesamt 2.000 Startplätze für die Marathonstrecken ausgebucht. Diane konnte Bergschnecke und eine weitere Fahrradkollegin aus dem Umfeld der Spessart-Biker zum Mitfahren überreden.
Ich trat mit dem Radlkollegen an, der schon in Wenigumstadt mit am Start war.

Diane und ich nutzten das Event aber auch für einen Kurzurlaub in der Rhön, da sich das Wochenende anbot, die Großeltern sich zum Babysitten bereit erklärten und das Jahr Elternzeit sich unweigerlich dem Ende nähert. Wir quartierten uns in Bad Salzschlirf ein, das wir bereits von unserem Aufenthalt 2010 kannten. Diesmal wählten wir allerdings das Hotel Schober als Stützpunkt aus. Eine gute Wahl, wie sich zeigte. Die Anreise erfolgte am Samstag, nachdem wir die Kinder in die Obhut meiner Schwiegereltern gegeben hatten.Wir legten einen Zwischenstopp am Marathon Startort ein und holten unsere Startunterlagen ab.

20140607_143715

Dort trafen wir unsere Mitfahrer. Den Rest des Tages verbrachten wir mit gepflegtem Carbo-Loading und ausruhen. Wir gingen früh zu Bett, um bis 4 Uhr das Maximum an Schlafzeit herauszuholen. Meiner Frau gelang das besser, ich lag wie immer bei solchen Anlässen etwas länger wach…
Um 4 Uhr standen wir auf und um halb fünf saßen wir beim Frühstück. Das Buffet war übrigens ausgezeichnet, aber um diese Zeit hat die Nahrungsaufnahme doch eher etwas mit Zwangsernährung als mit Genuss zu tun. 😉
Kurz vor sechs standen wir am Start und alle trafen ihre jeweiligen Mitfahrer.

IMG_20140608_055159

IMG_20140608_055352

Noch einmal kurz austreten und los ging es. Dieses Jahr konnte ich endlich mit dem Startfeld losfahren, statt wie in den Jahren zuvor hinterher zu fahren. Es spielt zwar keine Rolle, da es keine offizielle Zeitnahme gibt, aber schöner ist es schon, im Strom mitzuschwimmen bzw. mitzupedalieren. Es ging flott los und ich hatte eine Bruttozeit um 10-10,5h angepeilt. Die Temperaturen waren angenehm, ca. 15°C, und wir freuten uns auf einen schönen Rad-Tag. Da es sehr warm werden sollte hatte ich mich gegen Weste, Armlinge, Knielinge, etc. entschieden. Ursprünglich wollte ich mit zwei kleinen Flaschen fahren, hatte jetzt aber doch eine 0,8l- und eine 0,75l-Flasche an Bord. Die Erinnerung an den fiesen Sonnenbrand von 2010 bewirkte eine penible Vorsorge mit Sonnenschutz meinerseits. So etwas wollte ich dieses Jahr nicht wieder erleben. 😉
Die Damen starteten übrigens erst um halb sieben.
Aber zurück zu mir. Wie schon gesagt, der Anfang verlief recht zügig, es warteten ja auch kaum Höhenmeter. Im Nu hatten wir die erste Verpflegung erreicht, die leider nicht mehr auf dem Betriebsgelände des Hauptsponsors Rhönsprudel lag, erreicht. Aus hygienischen Gründen musste der Kontrollpunkt verlegt werden – kann man irgendwie auch verstehen. 😉
Großen Hunger hatte ich noch nicht, aber dä Kollesch brauchte etwas zwischen die Kiemen. Nach kurzer Pause fuhren wir weiter und es wurde wärmer. Nun wartete die erste ernst zunehmende Prüfung auf uns – der Anstieg zur Ebersburg. Von der Burg sah ich zwar nichts, aber ich hatte genug mit der Steigung, bis zu 18%, zu tun. Die tolle Abfahrt entschädigte aber für die Strapazen. Alsbald folgte der Anstieg zur Wasserkuppe. Diesen Anstieg mag ich eigentlich sehr gerne. So konnte ich auch heute einige Plätze gut machen. Mein Mitfahrer zog nicht mit und ich stürmte allein zum höchsten Punkt.

20140608_080607

Bei der Abfahrt wartete ich etwas, doch dä Kollesch kam nicht in Sicht. Ich beschloss bis zur nächsten Verpflegung weiter zu fahren. Kurz nach dem ich in Bischofsheim eingetroffen war kam er dann auch. Wir aßen und tranken, füllten Flaschen auf, ich ging zur Toilette (noch ging’s) und dann fuhren wir weiter. Für das folgende Stück ist es eigentlich wichtig, ein Gruppe zu erwischen. Leicht wellig führt die Strecke nach Sondheim. Ohne Gruppe kann man sich hier prima kaputt fahren. Immerhin waren wir zu zweit (+1 Lutscher, der sich leider nicht an der Führungsarbeit beteiligte). Die Gruppe vor uns konnten wir nicht einholen, und hinter uns kam nichts nach… Vielleicht hätten wir länger warten sollen. Nach Sondheim fuhren wir zum ersten Mal auf die Rhönhochstraße. Dä Kollesch signalisierte mir, dass ich alleine durchstarten sollte. Das tat ich und fuhr in meinem Tempo los. Das war auch ein sehr schöner Anstieg, aber ein Sauhitze und die Bremsen nervten gewaltig.

20140608_102149

20140608_102154

20140608_102523

20140608_102541

20140608_103220

20140608_103231

Aber die Landschaft ist schon sehr schön dort droben. Mit Highspeed ging es hinab nach Fladungen, zum nächsten Kontrollpunkt. Dort wollte ich wieder auf meinen Mitfahrer warten. Völlig überraschend traf ich Zenon dort. Er wartete auf die Mädels, um mit ihnen die 171er Strecke zu fahren, und ich wartete auf meinen Kollesch. Der kam nicht und die Mädels auch nicht. Schade, so sah ich meine Frau leider auch nicht. Nach einer gefühlten Ewigkeit und drei Stück Kuchen fuhr ich halt doch weiter. In dem Moment kam die erste der Mädelstruppe an und meinte, es könnte noch etwas dauern, bis die zwei anderen kommen würden. Ich begann den Anstieg hinauf zum Schwarzen Moor. Bis hier ging es mir gut, aber irgendwann kam er, der Einbruch. Und zwar genau da, wo ich ihn erwartet hatte. Noch hatte ich keinen Gedanken ans Aufgeben oder Abkürzen verschwendet, aber ab Hilders wurde es echt hart. An einer Streckenteilung konnte man entweder flach auf einer kürzeren Strecke weiter rollen, oder nach rechts auf die extremen Varianten abbiegen. Der Haken daran: Es geht hinauf nach Frankenheim. Ein Anstieg, der mir auch von den vorherigen Teilnahmen nicht in bester Erinnerung geblieben war. Es begann: das Leiden. Es wurde unerträglich heiß und die Straße überwindet ohne nennenswerte Kurven 300 Höhenmeter. Dazu kam der heiße Wind von vorne. Schon bereute ich meine Entscheidung. Aber gut, 150 Kilometer hatte ich schon im Sack, die restlichen 100 würde ich auch noch schaffen. Ich rettete mich an den Kontrollpunkt Kaltensundheim und dort in den Schatten. Langsam hatte ich Probleme, feste Nahrung zu mir zu nehmen. Trotzdem stopfte ich Kuchen, salzige Kekse und Käsebrot in mich rein. Abgerundet mit Cola und Wasser. Während der Rast, die auch lange dauerte traf mich ein weiterer Tiefschlag. Ein Teilnehmer erzählte mir, dass nur die ersten 500 Finisher auf der extrem²-Runde eine Medaille bekämen. Toll, dachte ich mir, da bin ich bei meinem Schneckentempo eh nicht dabei. Da kann ich mir die zusätzliche Quälerei auch sparen. Bei der Hitze muss das ja auch nicht sein. Wird sicher jeder verstehen. Die normale Extrem ist ja auch eine tolle Leistung. Ich brauch‘ das doofe Stück Metall sowieso nicht. Ist ja total albern…
Als es mir etwas besser ging kletterte ich auf mein Rad und kroch weiter. Immer häufiger lagen nun Radler im schattigen Straßengraben. Oft verspürte ich den starken Drang, mich dazu zu legen… Am Anstieg zum Seelesberg musste ich tatsächlich kurz vom Rad und mich im Schatten einer Scheune „abkühlen“. Ich hatte tatsächlich das Gefühl zu brennen – krass. Ein Gel half mir die letzten Meter hinauf. Auf der kommenden, gefährlichen Abfahrt fuhr ein Radler in einer Kurve geradeaus und landete in den Dornen. Hilfe war aber schon vor Ort.
Gotthards – die nächste Verpflegung. Auch hier verbrachte ich mehr Zeit als geplant. Zwangsernährung, trinken, ausruhen. Ich saß recht teilnahmslos auf dem Bordstein im Schatten und beobachtete das Treiben um mich herum. Eine Frage beschäftigte ich mich: Ganz lang oder oder nur lang? Ganz hart oder nur hart? Ich begann zu rechnen. Die Zeit würde reichen. Aber könnte ich es schaffen. Ich änderte meine Sitzposition und bekam einen Krampf in den Abduktoren. OK – plötzlich ging es um Finishen oder Besenwagen. Auf keinen Fall die ganz lange. Der Krampf verging. Oder vielleicht doch?…
Beim Aufstehen plagten mich die nächsten Krämpfe. OK – Hauptsache ins Ziel retten. Radeln ohne Krämpfe, aber ich fühlte mich aus- bzw. verbrannt. Ich quälte mich nach Elters. Streckenteilung: 238 oder 248 km. 200 Kilometer waren geschafft. Vom Zeitlimit war ich noch 45 Minuten enfernt. Ich bog mal ab und blieb stehen, um in mich rein zu hören. Ich hörte – nichts. Viele Radler fuhren vorbei ohne abzubiegen. Das wärs. Einfach mit denen mitfahren und ins Ziel rollen. Das Problem war nur, auch auf dieser Strecke ist nichts mit einfach rollen. Und nur noch 10 Kilometer mehr und ich hätte das große Ding gerockt. Da bog doch tatsächlich einer ab auf die Zusatzschleife und lächelte mich an. Das reichte mir, um mich zusammenzureißen und hinterher zu fahren. Doch oh weh, welch ein Anblick – ein schnurgerade Steigung in der prallen Sonne. Ein handgemaltes Schild mit Smiley und der Aufschrift „Viel Spaß“ ließ mich etwas verrückt lachen – und weiter kurbeln. Endlich war ich oben. Wo war der Kontrollpunkt Milseburg? Es ging wieder runter. Bin ich vielleicht vorbeigefahren? Schon kam der nächste „Berg“ hier lagen auch einige Sportler im Schatten. Ich verstand sie so gut. Aber was würde mir das bringen? Keine Ahnung, ob und wann ein Besenwagen kommen würde. Also weiter. Und dann war ich oben am Kontrollpunkt und holte mir den Stempel. Mit Mühe verbarg ich das Zittern in den Knien und versuchte möglichst cool auzusehen. Was? Erst 167 Mitstreiter hier durch gekommen? Yes, ich würde mir die Medaille holen! (Als ob ich mir für das doofe Stück Metall was kaufen könnte…)
Inzwischen hatte ich auch Nachricht vom Kollesch – er hatte am ersten Anstieg zur Hochrhön einen solchen Einbruch, dass er abbrechen musste.
Und wieder rauf aufs Rad und zum nächsten Kontrollpunkt durchkämpfen – Margretenhaun. Der Sportplatz in der Sonne. Hier wollte ich nicht mehr lange bleiben. Flaschen auffüllen, ein paar Salzcracker (wegen des Salzes) und zwei Becher Cola. Mehr bekam ich nicht mehr runter. Ich nahm kurz Kontakt mit meiner Frau auf, die bereits im Ziel war und die basic-Runde gefinished hatte. Ich rechnete mit einer weiteren Stunde auf zwei Rädern. Aber das Ende war in Sicht. Keine großen Anstiege mehr und mit etwas Glück würde sich eine Gruppe finden. Und tatsächlich – die letzten Kilometer befand ich mich in einer Gruppe von 5-6 Radlern. Wir wechselten uns vorne ab. Die letzten Kilometer, nach Lüdermünd, zog ich das Tempo etwas an, aber keiner kam mit. Egal, ich wollte jetzt so schnell wie möglich ins Ziel. Und auf einmal stand ich auf dem Platz. Die Sonne knallte auf mich runter und ich war etwas verwirrt und orientierungslos. Eigentlich wollte ich mein Rad abstellen, fand aber keinen Platz. Schließlich fand ich doch ein Plätzchen für mein treues Ross und da rief mich auch schon meine Frau. Sie geleitete mich aus der Sonne hinein in das Gebäude wo es die Urkunden gab. Hier setzte ich mich erst einmal hin und begann zu schwitzen. Und zwar so richtig. 😉
Ein alkoholfreies Weizen und eine Apfelsaftschorle, gereicht von meiner Liebsten, spürten den Schlag nicht. Ich erholte mich relativ rasch und holte mir meine Urkunde, die Medaille
und mein Finisher-Shirt.

20140608_175124

Geschafft. Nun fuhren wir zügig ins Hotel zum Duschen und Ausruhen. Dann statteten wir unserer „Stammkneipe“ in Bad Salzschlirf einen Besuch ab. Mit wenig Hunger drückten wir trotzdem noch eine Pizza rein. Und das obligatorische Eis passte auch noch irgendwie obendrauf. Wir gingen früh zu Bett und nach einem ruhigen, ausgedehnten Frühstück beendeten wir unseren Aufenthalt in der Rhön.

Fazit: Bimbach ist immer toll. Wobei so eine Tour bei bis zu 40°C schon sehr grenzwertig ist. Der Umstieg von 3-fach auf Kompakt war weniger dramatisch als erwartet. Das Comet ist geil. Wir kommen nächstes Jahr wieder.

Auf unserer Spessart-Biker-Seite gibt es noch ein paar Bilder von den Frauen und Zenon: *klick*

Weitere Erlebnisberichte:
Marion
Zenon
Jürgen

Übrigens waren noch zwei weitere Spessart-Biker vertreten. Lahme Ente und Tilli beendeten die classic-Variante (202 Kilometer und 3.200 Höhenmeter) mit einem fast 31er Schnitt. Respekt!

Keep on biking!

4 Gedanken zu „Pfingsten fährt man in Bimbach! (Oder: Ich verbrenne!)

  1. Toller Bericht, sehr schön geschrieben! Das alles für ein doofes Stück Metall – sauber verdient! Respekt!!

  2. Das ist ja gar nichts, im Vergleich zu unserem 400 Projekt 🙂
    Spass, schade dass ich nicht mit dir fahren konnte – RESPEKT!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.