Tag 6 (Mittwoch, 01.08.2012): Pezzo – Madonna di Campiglio
Da ich über Nacht den größten Teil Grappa abgebaut hatte, standen wir auch in Pezzo zeitig auf. Das Frühstück bei Yuri war lecker und es gab alles, was das Herz begehrte. Yuri ist wirklich ein super Typ und auf Biker spezialisiert. Wie sagte er so schön: „Die Biker sind meine Familie“. Wenn man die Albrechtroute fährt, ist eine Übernachtung bei ihm einfach Pflicht.
Kleine Anekdote am Rande: Von den Benefiz-Bikern lernten wir in Pezzo einen schönen Brauch kennen, den ich jetzt wohl in unsere Bikegruppe übernehmen werde. Einer von der Truppe trug über seiner Bib Short einen rosa Damenslip. Auf unsere verwunderte Frage, was das zu bedeuten hätte, erhielten wir eine erstaunlich Antwort: Es handelte sich um die Jammerhose – der Erste, der am Morgen jammert, muss diese Hose über den ganzen Tag tragen. 😉
Heute profitierte Diane von der Bekanntschaft mit dem österreicher 3er-Trupp: Sie gab deren Begleitfahrzeug einen Teil ihres Gepäcks mit und fuhr nur mit dem Nötigsten auf dem Rücken. Ich hätte das auch gekonnt, machte es aber nicht. Später hätte ich mich dafür Ohrfeigen können… 😉
Die Aussichten für diesen Tag flößten uns ordentlich Respekt ein. Auf der Agenta stand die Montozzoscharte mit Schiebepassagen bis zu 40% – ein legendärer Übergang.
Vorher fuhren wir allerdings noch durch das malerische Case di Viso – ein historisches Bergbauerndorf. Wirklich ein malerischer Fleck, man erwartet ständig, dass Heidi um die Ecke kommt. So früh am Morgen waren auch noch keine Ausflügler unterwegs.
In Case di Viso endete die Asphaltstraße und es ging hernach in Schotterserpentinen in Richtung Forcellina di Montozzo weiter. Wir wurden von den Schwarzwäldern eingeholt, die nach uns gestartet waren. Ein paar Serpentinen fuhren wir gemeinsam, dann fuhren sie in ihrem, etwas schnelleren, Tempo weiter. An einem steilen Stück trafen wir einen alten Bergwanderer. Er war Italiener und versuchte uns in ein Gespräch zu verwickeln. Zu Beginn war das noch ganz lustig, doch als er spannte, das wir Deutsche waren und er mit erhobener rechter Hand Mussolini lobpreiste, gaben wir Hackengas. Allerdings war es erstaunlich schwierig, den 76-jährigen Knochen abzuschütteln…
Am Rifugio Bozzi, wo wir natürlich nicht einkehrten, trafen wir wieder auf das österreichische Trio, die vor uns das letzte Stück zur Scharte in Angriff nahmen. Der Weg dort hinauf war schon ein imposanter Anblick und kommt auf dem Foto nicht annähernd an die Wirklichkeit heran.
(Fotograf Herbert)
Die Schuffterei begann…
(Fotograf Margit oder Harald)
Netter Zuspruch und aufmunternde Worte…
(Fotograf Margit oder Harald)
Glückwünsche zur geglückten Überschreitung.
Der nächste Pass war unser!
Was war das für ein Panorama. Diane und ich verweilten etwas länger hier oben, während die anderen Gruppen schon wieder unterwegs waren. Team Schwarzwald war schon weg, hinterher fuhr Team Pfalz, dann Team Österreich und zum Schluß wir. Was für ein Singletrail!!! Er gehörte mit zu den besten der Tour (zumindest im oberen Teil).
Auf der Abfahrt holten wir Team Pfalz ein, die leider einen Schaltaugenbruch zu beklagen hatten. Unglücklicherweise hatte der Mann kein Ersatzschaltauge dabei und konnte auch keines mehr auftreiben, wir wir später von seinem Compagnon erfuhren. Für ihn war die Tour vorbei. Deswegen: Immer schön mit Ersatzschaltauge fahren!
Wir setzten unsere Fahrt auf dem genialen Trail fort.
Der erste Blick auf den wunderschönen Lago di Pian Palù, ein empfohlener Fotostopp, den wir gerne mitnahmen. Ab hier wurde die Strecke etwas anspruchsvoller und es gab ein paar mehr Schiebestücke hinab zur Hängebrücke.
Die Hängebrücke markierte für mich das Ende der fahrbaren Strecke. Der Weg verlief ab hier nicht wirklich schwierig, jedoch sehr schmal am Hang entlang. Links ging es mehr oder weniger steil mehrere hundert Meter hinab (vielleicht auch weniger). Der Wegesrand war zwar von Hecken und kleinen Bäumchen bewachsen, aber hier zeigte ich Nerven. Da spielten auch die anstrengende Passage auf die Scharte und die nicht minder anstrengende Abfahrt mit hinein. So etwas sind wir aus dem Spessart halt nicht gewohnt. Als nach einer Kurve auch noch Margit im Abgrund hing und ihr Rad, welches sich glücklicherweise im Geäst verfangen hatte, zu bergen versuchte, war es ganz aus. Wir konnten ihr zwar noch helfen und gemeinsam das Bike befreien. Sie fuhr weiter, als ob nichts gewesen wäre – bei mir war es vorbei. Das war genau mein Albtraum. Mit den Nerven am Ende gelang mir nichts mehr. Ich schob das meiste des Weges bis zum See hinab – begleitet von lauten Flüchen meinerseits. Ich ärgerte mich und war frustriert ob meines Unvermögens.
Erst im unteren Teil kurz vor dem See konnte ich wieder auf das Bike.
Überstanden! Jetzt ging es zunächst auf Schotter bergab – welch eine Wohltat. Unterhalb der Staumauer befand sich ein kleiner Kiosk. Wir erstanden etwas zu trinken, aßen einen Riegel und überlegten uns den weiteren Weg. Es gab zwei Möglichkeiten, entweder Straße oder Trail. Wir entscheiden uns für den Trail. Am Anfang schien das die richtige Entscheidung gewesen zu sein. Später nicht mehr so ganz – zumindest in meinem Zustand. Immer wieder mussten wir vom Rad um einige Gegenanstiege zu bewältigen. Ich verfluchte mich für diese Entscheidung. Ganz schlimm wurde es an einem kurzen Stück mit Naturtreppe – ich glaube meine Flüche waren im ganzen Tal zu hören. Kurz darauf war wieder alles in Ordnung, der Weg wurde wieder spaßiger. Die Route wechselte auf eine Straße und wir rauschten ins Tal.
Fertig in Celledizzo – hier legten wir eine Pause ein. Cola, Cappuccino und ein paar Panini peppelten uns wieder einigermaßen auf. Die Region gehört zum Val die Sole, und der Name war Programm. Es war sehr heiß. Immer entlang des Flusses Noce fuhren wir bis Dimaro auf einem Radweg. In Dimaro begann der zweite Anstieg des Tages, hinauf nach Madonna di Campiglio. Eigentlich war das eine schöne Bikepiste, wurde jedoch zur Quälerei.
Für die Schönheiten der Brenta– und Adamellogruppe hatten wir keine Augen mehr. Wir wollten nur noch das heutige Ziel erreichen – das Hotel Ariston. Als es zu tröpfeln begann wechselten wir von der eigentlichen Route an einer geeigneten Stelle auf die Straße. Es waren zwar etwas mehr Höhenmeter, aber auf Asphalt läuft es einfach besser. So nahmen wir noch einen Straßenpass mit – den Passo Campo Carlo Magno auf 1.702 Meter.
Erschöpft, nun aber wieder gut gelaunt und glücklich, erreichten wir unser Ziel. Diane nahm ihr vorausgeschicktes Gepäck in Empfang und die abendliche Routine wurde abgespielt. Später genossen wir das sehr leckere 3-Gänge Menu. Vorher waren wir noch kurz in einem Supermarkt gegenüber und kauften etwas Verpflegung für den, schon tatsächlich, letzten Tag.
Fazit zum sechsten Tag:
Landschaftlich ist der erste Teil ein Traum. Der Singletrail von der Montozzoscharte ist am Anfang perfekt – später geht es etwas mehr zur Sache. Der Transfer bis Dimaro zieht sich etwas. Die Auffahrt nach Mad. di Campiglio ist schön, für uns ging es aber nur noch um das Ankommen. Madonna di Campiglio ist ein typischer Wintersportort, dafür mit guter Infrastruktur.
Fahrzeit: 06:58:10
Kilometer: 62,53 km
Durch. Geschw.: 8,97 km/h
Max. Geschw.: 59,76 km/h
Höhenmeter: 2.060 m
Rad: Stevens Glide ES
Keep on biking!