Winterfreuden

Als Ganzjahresfahrer muss ich zugeben, dass das Radfahren nicht immer Spaß macht oder gar ein Genuss ist. Aber bei solchen Bedingungen, die gestern in der Rhön herrschten, ist eine Mountainbiketour schon etwas ganz Besonderes!

Diane und die Kinder wollten einen Tag auf den Boards bzw. Ski verbringen und die Schneelage in der unweiten Rhön erlaubte dies am Sonntag. Ihr Ziel sollte die Wasserkuppe sein, die von uns aus in gut 1,5h zu erreichen ist. Eigentlich wollte ich zu Hause bleiben, da ich weder Ski noch Snowboard fahre, und Langlauf betreibe ich nur im Winterurlaub auf geliehenem Material. Doch dann reifte eine Idee in meinen Gedanken – was, wenn ich einfach mit meinem Mountainbike mitkomme und eine knackige Wintertour fahre? Zumindest auf den Winterwanderwegen müsste das doch möglich sein. Ich setzte mich an den Rechner und klickte mir einen GPS-Track zurecht, der für mich einen Sinn ergab.
Am Sonntag starteten wir also mit dem vollbeladenem Auto in die Rhön. Ich mit meinem Bike und der Rest mit der üblichen Wintersportausrüstung. Schon auf der Hinfahrt erntete unser Fahrzeug mit dem Rad auf dem Dach viele ungläubige Blicke. Das wurde, je näher wir uns unserem Ziel näherten nicht weniger.
Apropos Ziel – die Szenen, die sich auf der Wasserkuppe abspielten waren unglaublich. So wie es schien, waren wir nicht die einzigen, die bei diesem traumhaften Wetter die Idee hatten…
So etwas hatte ich noch nicht erlebt: Alle Parkplätze waren völlig überbelegt und das Ordnungsamt musste den Verkehr regeln. Wir standen lange im Stau auf dem Berg. Unverrichteter Dinge mussten wir wieder wegfahren. Meine Laune war im Keller – hatte ich doch keinen Plan B an Bord. Beim Herunterfahren kam uns die Polizei entgegen, ich kann mir gut vorstellen, dass sie die Straßen zur Wasserkuppe dichtmachten. Es wäre ja nicht mal mehr für Rettungsfahrzeuge ein Durchkommen möglich gewesen.
Nun gut, etwas unterhalb der Wasserkuppe gab es ein weiteres, kleines, „Skigebiet“: das Zuckerfeld. Dort wollten wir nun unser Glück versuchen. Und tatsächlich, wir fanden einen Parkplatz und die Kinder waren happy. Sie sahen sich nämlich schon um den schönen Wintersporttag gebracht und die Tränen liefen auf der Rückbank. Aber nun wurde alles gut. Sie schnappten sich ihr Equipment und starteten ins Getümmel.
Ich checkte meinen Track und stellte fest, dass ich die Tour trotzdem,  wenn auch etwas abgeändert, fahren könnte. So machte auch ich mich fertig und fuhr los – wieder von vielen ungläubigen Blicken begleitet…

Gleich zu Beginn traf ich auf zwei weitere Biker, die ihre „Fatbikes“ bergauf schoben. Einer der beiden hatte einen technischen Defekt. Sein Rad war „tubeless“ aufgebaut und aus dem Vorderrad lief die Dichtmilch heraus. Das System war undicht. Und der Ersatzschlauch passte leider nicht. So blieb den Zweien leider nur ein längerer Fußmarsch übrig. Ich wünschte einen schönen Tag und fuhr weiter. Und wieder einmal dachte ich mir, dass ich diese Probleme mit dem herkömmlichen System „Mantel+Schlauch“ nicht habe.

Wie schon gesagt, es herrschten traumhafte Bedingungen. Auf den Wegen war ich nicht alleine, aber der einzige Radfahrer. Dementsprechend oft wurde ich angesprochen, immer freundlich. Meistens wurde ich nach Spikes an meinen Reifen gefragt. Diese Frage verneinte ich. Zwar habe ich noch Spikereifen im Keller, habe diese aber schon seit Jahren nicht mehr aufgezogen. Die bringen wirklich nur etwas, wenn die Strecke komplett vereist ist. Bei Schnee reichen gut profilierte Reifen meiner Meinung nach völlig aus.

Am Guckaisee traf ich auf meine geplante Route. Eigentlich hätte ich von hier auf die Wasserkuppe hinauf gemusst. Aber wegen der fortgeschrittenen Tageszeit, des Trubels auf dem Berg, der 300 Höhenmeter und der Schneelage entschied ich mich, diesen Teil der Strecke auszulassen. Eine gute Entscheidung, wie sich am Ende noch zeigen sollte.
Unterwegs war ich übrigens mit meinem alten 26″ Fully von Stevens – ein treuer Begleiter und ideales Rad für diese Tour.

Es waren wirklich Heerscharen unterwegs und fast von jedem wurde ich nach Spikes gefragt. Aber ich hätte sie wirklich nur an einer Stelle gebraucht, die ich aber auf einem Schlittenhang umfahren konnte. Mei, was haben die Kinder für Augen gemacht, als ich mit dem Bike den Hang hinunter fuhr.

So wie hier war ich meist auf gut fahrbaren Wegen mit geschlossener Schneedecke unterwegs. Dank der tiefen Temperaturen war der Schnee fest und nicht sulzig.

Ich näherte mich der Milseburg. Hier wartete ein erstes Highlight auf mich. Im Sommer war ich hier mit den Kindern gewesen und wir wanderten damals auf einem Trail, den ich mir gemerkt hatte. Den Gipfel ließ ich aus und begab mich zügig auf den schmalen Pfad unterhalb des Berges.

Was für ein Spaß! Der Singletrail war super zu fahren und ich hatte ihn für mich alleine! Yeah – so muss eine Biketour im Winter sein.

Auf dem folgenden Abschnitt zum nächsten Highlight wurde es nun tatsächlich etwas einsamer. Ich befand mich im touristischen Niemandsland zwischen den Hotspots. Das war aber nicht weiter schlimm.

So konnte ich wenigstens die Stille und Impressionen in vollen Zügen genießen.

Schließlich erreichte ich den zweiten Singletrail des Tages – den Pfad an der Steinwand. Die Kletterfelsen waren mir neu und ich staunte nicht schlecht, als ich hier auf dem kurzen, aber spaßigen Trail unterwegs war.

Auch die Wandergruppe staunte nicht schlecht, als ich auf dem verschneiten Trail an ihnen vorbeihoppelte.
Memo an mich: Unbedingt mit Kindern im Sommer zum Kraxeln herkommen!

Das letzte Stück der Strecke verlief relativ unspektakulär und ich musste mich nun sputen. Die Sonne näherte sich dem Horizont, es wurde noch kälter und der Rest der Familie wollte sicherlich auch bald ins warme Auto.

Just in Time kam ich am Zuckerfeld an und wir erzählten uns im bald warmen Auto auf der Heimfahrt die heutigen Abenteuer. Gut, dass ich die Wasserkuppe ausgelassen hatte, denn bei diesen Bedingungen hätte mich der Anstieg mindestens eine Stunde zusätzlich gekostet. Also alles richtig gemacht und ich war froh, so eine tolle Tour gemacht zu haben.

Keep on Biking!